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Stellungnahme zum Tariftreuegesetz

Stellungnahme des EFAS e.V. und der bag arbeit e.V. zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie durch die Sicherung von Tariftreue bei der Vergabe öffentlicher Aufträge des Bundes und weiterer Maßnahmen (Tariftreuegesetz)

Wir bedanken uns für die Möglichkeit gemeinsam Stellung nehmen zu können und begrüßen das Tariftreuegesetz und die Zielsetzung, faire Arbeitsbedingungen und eine verantwortungsvolle Verwendung öffentlicher Mittel zu fördern.

Der evangelische Fachverband Arbeit und soziale Integration e.V. (EFAS) vertritt mittelbar die Interessen der ca. 450 evangelischen Arbeits-, Beschäftigungshilfeträger und Inklusionsunternehmen, die im Bereich der Gesetzbücher, SGB II, SGB III, SGB IX und SGB XII tätig sind. Die in der Bundesarbeitsgemeinschaft Arbeit e. V. (bag arbeit) bundesweit zusammengeschlossenen Beschäftigungs- und Qualifizierungsunternehmen stehen für eine fachlich fundierte und erfolgreiche Integrationsarbeit mit arbeitslosen Menschen.

Die Verbände nehmen wie folgt zum Referentenentwurf Stellung:

Vorbemerkungen zur Stellungnahme

  1. Entbürokratisierung: Das Gesetz trägt nach unserer Einschätzung nicht zur Entlastung der Bürokratie bei. Im Gegenteil – durch zusätzliche Anforderungen wie die Anwendung unterschiedlicher Tarife, Tariftreueversprechen für Nachunternehmen, Arbeitnehmer:innen und umfassende Nachweispflichten steigen die Bürokratiekosten erheblich. Diese Entwicklung erscheint widersprüchlich angesichts der politischen Ankündigung, Bürokratiekosten senken zu wollen, während gleichzeitig eine neue Behörde entsteht, die Unternehmen im Bereich der öffentlichen Vergabe weiter belastet.
  2. Mindeststandards und faire Vergabekriterien: Wir befürworten die Festlegung von Mindeststandards bei der Entlohnung und sehen diese als notwendigen Bestandteil der öffentlichen Vergabe. Der EFAS und die bag arbeit bekennen sich zur wirtschaftlichen und sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel. Transparenz, Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung sind für uns essenziell, um fairen Wettbewerb sicherzustellen. Auch die Einbeziehung nachhaltiger, umweltbezogener, sozialer und innovativer Kriterien halten wir für wichtig und betrachten sie als legitimes Mittel zur Umsetzung strategischer politischer Ziele.

Zu den vorgeschlagenen Änderungen im Einzelnen:

§1 Für welche öffentliche Auftraggeber wirkt das Gesetz?
Der Gesetzestext formuliert in § 1 welchen Anwendungsbereich das Gesetz hat. Aus dem Text geht hervor. Für den Bereich des EFAS und der bag arbeit sind nicht alle im § 1 aufgeführten Körperschaften relevant. Bei den relevanten fünf Kostenträgern ist die Formulierung für uns nicht eindeutig und es stellen sich Fragen:
Es ist klar, dass

  • die Vergaben der Bundesagentur für Arbeit als eine bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts unter das Tariftreue Gesetz fallen.
  • Ebenso unterliegen die Vergaben der Berufsgenossenschaften, die auch Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung sind, dem Tariftreuegesetz.
  • Gleiches gilt für Vergaben der Deutschen Rentenversicherung. Sie sind im Sinne des Gesetzes ein öffentlicher Auftraggeber.

Klärungsbedarf sehen wir:

  • Bei den Jobcenter ist klar, dass Vergaben der gemeinsamen Einrichtung unter das Gesetz fallen. Das wird kann aber kaum bei allen Vergaben so sein.
    Anmerkung: Im SGB II gibt es Instrumente, wie z.B. § 16d, die nicht unter die Vergabe fallen, sondern faktisch eine Zuwendung sind. Diese müssten trotzdem die gemeinsame Einrichtung unter das Tariftreugesetz fällt, davon nicht betroffen sein.
    Anmerkung: bei den Leistungen nach § 16a SGB II finanziert die Kommune die Leistung, insofern dürfte auch, wenn es Leistungen geben sollte, die ausgeschrieben werden, diese nicht unter das Tariftreuegesetz fallen.
  • §1 Abs 2 schließt aber das Tariftreuegesetz die Jobcenter, die als Optionskommune organisiert sind, aus, da sie im Sinne einer Auftragsvergabe tätig werden. Sie fallen nicht unter das Tariftreuegesetz.
    Frage: Ist die Differenzierung zwischen den Jobcentern gewollt?
  • Die Vergabe von ESF Mitteln durch die verschiedenen Programme des Bundes sind keine Vergabe, sondern Zuwendungsverfahren, die nach dem Zuwendungsrecht des Bundes geregelt werden.
    Frage: Soll Tariftreue auch hier geregelt werden?

Bei einem Blick in die Praxis werden viele Beispiele deutlich, die unklar bleiben. Was ist z.B. Gelder, die der Bund aus dem Anteil der Ausgleichsabgabe vergibt? Ist das Zuwendungsrecht oder Vergaberecht?

Anfrage und Klärungsbedarf bei den verschiedenen Vergabearten

Das Tariftreuegesetz geht nicht auf die verschiedenen Vergabearten ein. Das Gesetz definiert einen Schwellenwert von 25.000 Euro je Ausschreibung. Damit ist sowohl der nationale Bereich (Unterschwellenbereich) wie auch der europäische Bereich (Oberschwellenbereich) von dem Tariftreuegesetz betroffen.
Da das Gesetz keine Differenzierung der Vergabearten vornimmt, ist klar sein, dass das Gesetz auf alle Vergabearten Anwendung finden. Damit umfasst das Gesetz im Unterschwellebereich die Vergabearten: unbeschränkte öffentliche Ausschreibung, beschränkte öffentliche Ausschreibung und freihändige Vergabe.
Im Oberschwellenbereich sind die Vergabearten: offenes Verfahren, nicht offenes Verfahren, Verhandlungsverfahren, wettbewerblicher Dialog und Innovationspartnerschaft umfasst.

Es ergeben sich zwei wesentliche Fragen;

  1. Soll das Tariftreuegesetz nur eine Lohnsicherung nach unten bilden? Wenn ja, ist es unproblematisch.
  2. Wenn aber das Tariftreuegesetz gleichzeitig impliziert, dass der durch Verordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) festgelegte Tarif das Kriterium „Wirtschaftlichkeit“ erfüllen muss, widersprechen die Vergabearten Verhandlungsverfahren, wettbewerblicher Dialog und Innovationspartnerschaften dem Tariftreuegesetz, da es für Aufgaben, die über solche Vergaben erfolgen, kaum Tarifverträge geben wird. Gleiches gilt für Vergaben im IT Bereich, die Branche kennt so gut wie keine tariflichen Bindungen.
    Der Gesetzgeber muss aus unserer Sicht bei der Gesetzgebung mit bedenken, wie wirkt das Gesetz auf die Haushaltsrichtlinie des Bundes und den Haushaltsausschuss des Bundestages in der Praxis. Wie werden dort faktisch bei Anwendung Normen gesetzt, die der Gesetzgeber nicht beabsichtigt.Die Verbände halten wie schon verschiedentlich in diversen Stellungnahmen formuliert für den Bereich der Arbeitsmarktpolitischen Dienstleistungen zu über 90% aktuell gewählte Variante des offenen Verfahrens in der vorhandenen Marktform des Monopson nicht für zielgerichtet, wirtschaftlich und nicht dem vielfach zugrundeliegenden sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis für angemessen.
    Das Tariftreuegesetz verstärkt die Kritik hier nochmals.

 

Zu den anderen Regelungen im Tariftreugesetz möchten wir folgende Ausführungen machen:

§3 Tariftreueversprechen
Die Verpflichtung bei Nachunternehmern ist vor allem bei dem Einsatz von Honorarkräften, die bei vielen Vergaben der Bundesagentur für Arbeit und bei den Jobcentern, die als gemeinsame Einrichtung organisiert sind, über der sog. Mindestabnahmeschwelle schwierig werden. Honorarkräfte sind in der Rechtsform als e.K. organisiert. Hier gibt es oft keine Dokumentation der Tages-, Wochen und Monatsarbeitszeit. Wir empfehlen den Verzicht auf die Bedingung.

§4 Anspruch auf Gewährung der verbindlichen Arbeitsbedingungen

Die in § 4, Abs. 3 benannte Informationspflicht kann bei Auftragnehmern, die Leiharbeiter einsetzen, ein Problem mit dem Datenschutz geben. Oft sind die Anschriften der Leiharbeiter:innen nicht bekannt, wenn diese nicht freiwillig mitgeteilt worden sind.
Daneben ist der Bürokratieaufwand nennenswert, den der Auftraggeber mit dieser Regelung hat.

§5 Rechtsverordnung zur Festsetzung der verbindlichen Arbeitsbedingungen; Verordnungsermächtigung

Wenn das BMAS einen Tarif als bindend für ein Gewerk oder eine Dienstleistung festlegt, kann es zu nennenswerten Problemen in der praktischen Anwendung kommen.
Unternehmen, die Mitglied eines Arbeitgeberverbandes oder Spitzenverbandes der Wohlfahrtspflege sind, haben die Anwendungspflicht des von dem Arbeitgeberverband oder Spitzenverband vereinbarten Tarifwerks.
Wenn nun für eine temporäre Ausschreibung höhere Löhne wegen des Tariftreuegesetzes gezahlt werden müssen als der im Unternehmen angewandte Tarif, gibt es neben betriebsinternen Themen der Gleichbehandlung der Mitarbeiter:innen auch die Frage des Anwendungspflicht des gültigen Tarifvertrages bei dem Arbeitgeberverband.
Es kann zu zahlreichen Klagen vor Arbeitsgerichten kommen. Der Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ ist sehr schnell verletzt. Vor allem vor dem Hintergrund, dass Mitarbeiter:innen, die in Optionskommunen vielleicht das identische Produkt umsetzen und nicht in den Genuss der höheren Vergütiung kommen, da hier das Gesetz nicht gilt, als bei Mitarbeiter:innen im identischen Unternehmen, die in einer Ausschreibung arbeiten, das Nachbarjobcenter als gemeinsame Einrichtung ausgeschrieben hat.

Das Thema ließe sich zum Teil lösen, wenn das BMAS immer nur den niedrigeren Tarif bei konkurrierenden Tarifen zur Anwendung bringt. Das wird aber kaum der politische Wille sein können, wenn es um Stärkung der Tarifautonomie geht.

Daneben stellt sich die Frage der Einschlägigkeit. Durch Gutachten zu der Frage der Einschlägigkeit im Bildungsbereich, die im Umlauf sind, wird zumindest unwidersprochen aktuell die Auffassung vertreten, dass der TVÖD nicht einschlägig im SGB II und SGB III Bereich ist.
Damit wäre weiterhin keine Gleichheit bei den noch wenigen verbliebenen Anbietern, aus dem kirchlichen oder gewerkschaftlichen Bereich gegeben, die das deutlich kostenintensivere Tarifwerk anwenden. Gleiches gilt, wenn ein Bundesland z.B. Berlin die Unternehmen verpflichtet TVL anzuwenden, um aus Sicht des Bundeslandes förderfähig zu sein.

Das Fehlen der Mindestbedingungen zu einer betrieblichen Altersversorgung für Mitarbeiter:innen, die in Aufträgen des Bundes arbeiten, ist für uns eine Enttäuschung und verpasste Chancen.
Die Bundesregierung bemüht sich zur Vermeidung von Altersarmut für die betriebliche Altersversorgung als weitere wichtige Säule zu werben, nutzt aber die Gelegenheit nicht, da wo sie direkten Einfluss auf den Abschluss von Betriebsrenten hat. Hier sehen wir bei den Mindestbedingungen zur Zulassung von Tarifen Nachbesserungsbedarf. Das Argument, eine solche Forderung wäre Eingriff in die Tarifautonomie kann nur bedingt gelten, da das gesamte Gesetz bei konkurrierenden Tarifen Einfluss auf die Tarifautonomie nimmt. Langfristig werden Unternehmen sich auf die Tarifen festlegen, die weniger Bürokratiefolgekosten mit sich bringen.

§8 Kontrollen

Es stellt sich für uns die Frage, warum eine neue Teilbehörde geschaffen werden muss. Zumindest bei der Bundesagentur für Arbeit und bei den Jobcentern als gemeinsame Einrichtung liegen durch den Prüfdienst der Bundesagentur für Arbeit intensive Kontrollen vor. Das Trägermanagement wird auch Zunehmend umfassender gefüllt und gibt mittlerweile einen guten Überblick über die Einhaltung von Vergabevorschriften der Träger.
Eine weitere Frage stellt sich bei der Wahl der Teilbehörde. Da auch die Rentenversicherungen als Kostenträger unter das Gesetz fallen, wenn auch nur zu einem sehr kleinen Teil, ist uns unklar, ob diese sich selber kontrollieren können. Bei einer Kontrolle wird ja nicht nur der Auftragnehmer sondern auch der Kostenträger geprüft.

§9 Nachweispflicht

  • Neben dem für das Unternehmen erhöhten Bürokratieaufwand stellt sich die Frage der Aufbewahrungsfristen des Nachweises. Hierzu ist weder ein Bezug auf steuerliche Regelungen noch auf Regelungen der Sozialgesetzbücher vorgenommen worden. Es wäre wünschenswert hier Klärungen im Gesetz zu haben.

 

§10 Präzertifizierungsstelle
Im Bereich der arbeitsmarktlichen Dienstleistungen kann diese Stelle mittels Erweiterungen der Aufgaben die Deutsche Akkreditierungsstelle GmbH (DAkkS) sicherlich gut vollzogen werden. Welche Stelle soll dieses aber z.B. bei Ausschreibungen im Grünpflegebereich sein, die der Bund an den Bundesautobahnen vergibt?

 

Zusammenfassend begrüßen wir den Versuch mit den Vergaben eine Lenkung auch legitimer politischer Anliegen im Rahmen der Rechtsordnung zu verfolgen. Das hier vorgelegte Gesetz hat aber einige noch verbesserungswürdige Lücken, Unklarheiten bringt nennenswerte Bürokratiekosten mit sich.

 

 

Stuttgart, den 28.10.2024

Marc Hentschke
Vorstandsvorsitzender des EFAS

 

Berlin, den 28.10.2024

Hans-Peter Eich
Vorstandsvorsitzender bag arbeit

 

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