Vorwort
Liebe Leserinnen und Leser,
Die Arbeitswelt in Deutschland befindet sich im Wandel, der nicht nur die Anforderungen an Beratung und Vermittlung verändert, sondern auch neue Perspektiven eröffnet. Etwa ein Viertel der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland hat eine Einwanderungsgeschichte, und diese Vielfalt spiegelt sich auch in der Gruppe der Bürgergeldbeziehenden wider. Mehr als die Hälfte dieser Beziehenden hat einen Migrationshintergrund, und diese Zahl wird in den kommenden Jahren weiter steigen.
Beratende in den Bereichen Beschäftigung, Qualifizierung und in den Jobcentern leisten bereits einen wichtigen Beitrag: Sie begleiten Menschen auf ihrem Weg in den Arbeitsmarkt, fördern berufliche Qualifikationen und unterstützen bei der Planung von Bildungswegen. Doch mit dem wachsenden Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund, die im Rahmen von SGB II und SGB III betreut werden, steigen auch die Anforderungen an die Beratungsarbeit. Um diesen Wandel erfolgreich zu gestalten, sind kultursensible Ansätze unerlässlich.
Für Deutschland als Wirtschaftsstandort wird es entscheidend sein, Menschen mit Einwanderungsgeschichte nicht nur kurzfristig in Arbeit zu vermitteln, sondern sie langfristig und entsprechend ihrer Qualifikationen in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Eine erfolgreiche Beratung muss daher die individuellen Ressourcen und Kompetenzen der zu Vermittelnden in den Mittelpunkt stellen.
Kultursensible Beratung geht über theoretisches Wissen hinaus. Sie erfordert Offenheit, Empathie und die Fähigkeit, unterschiedliche Lebensrealitäten zu verstehen. Interkulturelle Kompetenz bedeutet, eigene Normen und Perspektiven zu hinterfragen und respektvoll auf die Bedürfnisse der Ratsuchenden einzugehen. Dabei ist es entscheidend, dass Beratungsansätze in Zusammenarbeit mit Expert:innen aus verschiedenen kulturellen und sozialen Hintergründen entwickelt werden. Nur so können Barrieren abgebaut und Chancengerechtigkeit geschaffen werden.
Besonders herausfordernd ist die Situation für Menschen, die von intersektionalen Diskriminierungen betroffen sind – also mehrfach benachteiligt werden. Frauen mit Flucht- oder Migrationsgeschichte sind häufig doppelt benachteiligt: Sie sind öfter arbeitslos oder prekär beschäftigt und finden seltener Arbeitsplätze, die ihrer Qualifikation entsprechen. Auch Menschen mit Behinderungen stehen vor zusätzlichen Hürden, etwa durch bürokratische Hindernisse oder die Nichtanerkennung ihrer Abschlüsse.
Kultursensible Beratung ist der Schlüssel, um die Potenziale einer vielfältigen Gesellschaft zu entfalten. Sie muss nicht nur angewandt, sondern auch ständig weiterentwickelt und gefördert werden. Neben der kultursensiblen Beratungsarbeit sind politische Reformen unverzichtbar. Es braucht Förderketten, die ineinandergreifen, eine weitere Beschleunigung der Anerkennungsverfahren für ausländische Abschlüsse sowie eine bessere Anerkennung von Kompetenzen. Darüber hinaus sind ein stärkeres Antidiskriminierungsgesetz, gezielte Schulungen zu Rassismus und Diskriminierung sowie verbesserte Kinderbetreuungsmöglichkeiten notwendig, um die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Integration zu schaffen.
Die Vielfalt unserer Gesellschaft ist eine Stärke, die mit Offenheit, Respekt und Engagement genutzt werden muss, um die Arbeitswelt der Zukunft zu gestalten.
Viel Spaß beim Lesen,
Alina Simon
Geschäftsführerin der bag arbeit
Unsere Autorin Alina Simon
ist Geschäftsführerin der bag arbeit e. V.