Laut Statistischem Bundesamt leben in Deutschland rund 22,3 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund.
Das entspricht ca. 27,2 Prozent der Gesamtbevölkerung. Der Frauenanteil in der Gruppe liegt bei etwa 49 Prozent. Migrantinnen in Deutschland haben unterschiedliche Aufenthaltstitel, einen heterogenen Bildungsstand; ihre Ausgangsbedingungen und Unterstützungssysteme sind genauso unterschiedlich wie das ökonomische und soziale Kapital, welches sie mitbringen. Diese Heterogenität der Migrantinnen erfordert eine differenzierte und ressourcenorientierte Betrachtung, um sie bedarfsgerecht in ihren Bildungs- und Berufslaufbahnen stärken zu können. Aktuelle Statistiken zeigen, dass viele Migrantinnen in Deutschland gut qualifiziert sind. Allein 16 Prozent der Frauen mit Migrationshintergrund verfügen über einen Hochschulabschluss. Die Teilhabe von Migrantinnen am Arbeitsmarkt fällt jedoch anders aus: Frauen mit Migrations- und Fluchtgeschichte sind im Vergleich zu männlichen Migranten und zu inländischen Frauen am wenigsten in den Arbeitsmarkt integriert. Sie sind häufiger arbeitslos, geringfügig oder prekär beschäftigt. Sie sind insbesondere nicht entsprechend ihrer Qualifikationen im Arbeitsmarkt vertreten, obwohl sie ein großes, bislang ungenutztes Potenzial darstellen.
Foto: Julia Baumgart
Zugang zum Arbeitsmarkt – Herausforderungen in
der Praxis
Trotz langjähriger und auch erfolgreicher Aktivitäten zur Beratung, Vermittlung und Qualifizierung einerseits sowie zur interkulturellen Öffnung und Antidiskriminierung andererseits sind Migrantinnen auf dem Arbeitsmarkt nach wie vor unterrepräsentiert.
Die Gründe hierfür sind vielfältig:
- fehlende Informationen über das Bildungs- und Beschäftigungssystem sowie über Anerkennungsverfahren und damit verbundene Möglichkeiten;
- sie erfahren Diskriminierung im Bildungs- und Beschäftigungssystem, etwa durch stereotype Vorurteile, die sich auf ihre Herkunftsländer und/oder Religionszugehörigkeit beziehen. Oft werden sie zudem in Beschäftigungsverhältnisse vermittelt, die weit unter ihrem Qualifikationsniveau liegen, obwohl sie eine qualifikationsgerechte
Bildung und Berufslaufbahn anstreben; - die Frauen verfügen nicht über das erforderliche ökonomische und soziale Kapital;
- die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist für sie eine große Herausforderung;
- aufenthalts- und arbeitsrechtliche Hürden sowie
- mangelnde interkulturelle Öffnung bei Teilen der arbeitsmarktrelevanten Akteursgruppen erschweren ihnen den Zugang zu Maßnahmen und zum Arbeitsmarkt.
MA.i – eine Migrant:innenorganisation mit i-Tüpfelchen
Die Migrant:innenorganisation MA.i e. V. setzt genau hier an. MA.i steht für Migration und Arbeitswelt – interkulturell, innovativ, inklusiv. Hinter dem engagierten Verein steckt eine Migrant:innenorganisation, die sich aktuellen migrations- und arbeitsmarktpolitischen Fragen stellt und tragfähige Lösungen erarbeitet. Dabei haben alle Aktivitäten zum Ziel, die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte in der Arbeitswelt sowie in der Gesellschaft und im Bildungsbereich zu ermöglichen.
Mit Projekten „IQ-Beratungsstelle: Anerkennung und Qualifizierung Region Köln“ und „Passgenau – Individuelle
Qualifizierungsbegleitung im Kontext der Anerkennung und Fachkräfteeinwanderung“ im Rahmen des Förderprogramms Integration durch Qualifizierung (IQ) sowie dem Projekt „Let´s Go – Migrantinnen fit für die Arbeitswelt“ im Rahmen des Förderprogramms My Turn – Migrantinnen starten durch, setzt MA.i e.V. bewusst den Schwerpunkt auf die Arbeitsmarktintegration von Frauen mit Migrations- und Fluchtgeschichte.
Erfolgsfaktoren für die qualifikationsadäquate Teilhabe
Erkenntnisse aus den oben genannten Projekten und Erfahrungen zeigen, dass im Hinblick auf eine breite und nachhaltige Teilhabe von Migrantinnen auf dem Arbeitsmarkt ein Bündel von Maßnahmen erforderlich sind.
Ganzheitliche Ansätze
Maßnahmen müssen auf unterschiedlichen Ebenen ansetzen und von allen Beteiligten gemeinsam gestaltet werden. So unterstützt MA.i e.V. zum einen
die Migrantinnen selbst mit bedarfsorientierten und passgenauen Angeboten wie Workshops zu Sprache & Austausch, Digitalisierung, Bewerbung, Berufsorientierung und dem Arbeitsrecht. Darüber hinaus werden die Frauen auf ihrem Weg in den Arbeitsmarkt beraten und eng begleitet. Das diverse
Team legt großen Wert auf Mehrsprachigkeit, sowie die migrations- und gendersensible Beratung und schafft so eine professionelle und vertrauensvolle
Atmosphäre.
Zum anderen richtet sich MA.i an relevante Arbeitsmarktakteure.
Hierbei gilt es, auf die Potenziale und Kompetenzen von Frauen mit Migrations- und Fluchtgeschichte aufmerksam zu machen, diese wertzuschätzen, zu fördern und vorteilhaft einzusetzen. Über gezielte Ansprachen, Workshops und Strategien ist es gelungen, für das Thema zu sensibilisieren, zu begeistern und neue Perspektiven zu eröffnen.
Begegnungen auf Augenhöhe
Ein weiterer Erfolgsfaktor ist die Entwicklung und Durchführung innovativer Formate. So wurde von MA.i e.V. das Veranstaltungsformat „Let‘s meet! – Unternehmen treffen Fachkräfte“ ins Leben gerufen. Unternehmen in der Kölner Region und qualifizierte Frauen mit Migrations- und Fluchtgeschichte begegnen sich zum Austausch. Mit diesem Format wurde ein Rahmen geschaffen, in dem sich Arbeitgeber:innen und Frauen mit Migrations- und Fluchtgeschichte auf Augenhöhe treffen, kennenlernen und sogar für ein Arbeitsverhältnis zusammenfinden können.
Expertise bündeln – Netzwerke gründen
Um Frauen mit Migrations- und Fluchtgeschichte als Fachkräfte in der Region sichtbar zu machen und ihre gleichberechtigte Teilhabe am Arbeitsmarkt zu gewährleisten, ist die verbindliche Zusammenarbeit der entscheidenden Arbeitsmarktakteure von zentraler Bedeutung.
In Köln haben sich auf Initiative von MA.i e.V. die zentralen Arbeitsmarktakteure als „Kölner Expert:innenkreis“ mit dem Ziel zusammengetan, die vielfältigen Potenziale der Frauen in Köln sichtbar zu machen und ihre qualifikationsadäquate berufliche Integration zu verbessern. Mit dabei sind unter anderem die Stadt Köln mit der Arbeitsmarktförderung sowie dem Amt für Integration und Vielfalt – Kommunales Integrationszentrum. Durch die enge Vernetzung und
Zusammenarbeit der Akteure werden Prozesse beschleunigt, Synergien geschaffen sowie strukturelle Barrieren analysiert und reflektiert. Der regelmäßige Austausch findet sowohl einzelfall- als auch prozessbezogen
statt. Erarbeitete Angebote und Informationen können so nachhaltig in Regelstrukturen implementiert werden. Darüber hinaus macht sich
der „Kölner Expert:innenkreis“ dafür stark, Migrantinnen als Fachkräfte zu erkennen und zu fördern, auch über die Grenzen der Stadt hinaus.
MA.i e.V. als Migrantenorganisation hat den persönlichen und vertrauensvollen Zugang zu der Zielgruppe „Migrantinnen“ und durch Expertise in den Bereichen Arbeitsmarkt, Bildung und Sozialpolitik kann der Verein als Vermittler zwischen den Akteuren fungieren.
Positives Image
Darüber hinaus ist es besonders wichtig, eine positive Wahrnehmung von Migrantinnen in Wirtschaft und Gesellschaft zu schaffen und Stereotype zu durchbrechen. Festgefahrene Narrative müssen richtiggestellt und neu erzählt werden, die Migrantinnen zeigen, wie sie sind: gebildet, unabhängig und selbstbewusst. Dabei ist die Kommunikation von positiven Beispielen und Erfolgsgeschichten (wie z.B. im Kurzfilm – „Let´s go_Migrantinnen starten durch“) ein wichtiger Erfolgsfaktor.
Nachhaltige Arbeitsmarktintegration als ganzheitlicher und langfristiger Prozess ist sowohl Ziel als auch Aufgabe. Es bleibt viel zu tun: Auf gesetzlicher Ebene gilt es, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz umfassend umzusetzen und aufenthalts- sowie arbeitsrechtliche Hürden abzubauen. Auf struktureller Ebene müssen Unternehmen und Verwaltungen Zugangsbarrieren durch mehr interkulturelle Öffnung und Diversity Management überwinden. Dazu gehört auch, Stereotype zu hinterfragen, Diskriminierungen zu bekämpfen und Migrantinnen in ihrer Vielfalt sowie mit all ihren formalen und non-formalen Kompetenzen wertzuschätzen.
Darüber hinaus sind gezielte migrations- und gendersensible Beratung sowie passgenaue Qualifizierungsangebote, auch in Teilzeit, notwendig. Um die Frauen zu stärken, sind Empowerment- und Mentoringprojekte erforderlich. Dabei muss die Vereinbarkeit von Beruf und Familie besser berücksichtigt und z.B. Kinderbetreuungsangebote ausgeweitet werden. Der Zugang zu Sprachkursen sowie berufsbegleitende, arbeitsplatzbezogene Spracherwerbsangebote sollten verbessert werden. Auch die Praxis der Anerkennung von Abschlüssen und das Nachqualifizierungssystem weisen Lücken auf. Angesichts des demografischen Wandels und Fachkräftemangels kann es sich Deutschland nicht leisten, auf die Potenziale von Frauen mit Migrations- und Fluchtgeschichte zu verzichten. Alle Akteure der Wirtschaft und Gesellschaft sind aufgefordert, zur Anerkennung, Wertschätzung und Förderung von Migrantinnen beizutragen.
Weitere Informationen auf www.migration-arbeitswelt.de
Foto: Julia Baumgart
Unsere Autorin Canan Uluğ ist Vorstandsvorsitzende Migration und Arbeitswelt e.V. interkulturell innovativ inklusiv (MA.i e.V.)