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Der Secondhand Kleidermarkt im Umbruch?

Brauchbar gGmbH

Die gemeinnützige BRAUCHBAR gGmbH ist ein regional tätiger sozialer Beschäftigungsbetrieb, der es sich zur Aufgabe gemacht, hat durch Secondhand-Handel Arbeitsplätze und sinnstiftende Beschäftigungsmöglichkeiten für langzeitarbeitslose und leistungsgeminderte Personen zu schaffen. In unseren fünf Second-Hand Geschäften mit rund 150 Beschäftigten in unterschiedlichen Kontexten gibt es neben Bekleidung auch Haushaltswaren, Möbel, Spielsachen und eigentlich alles, was man sich in einem Haushalt vorstellen kann.

Einkaufen kann bei uns jeder, der Freude an Gebrauchtwaren hat. Einkommensschwache Haushalte erhalten einen Sozialrabatt. Rund ein Drittel der Verkaufserlöse wird durch Kleidung erzielt. Unsere Kleiderspenden erhalten wir durch die Abgabe vor Ort in unseren Geschäften, Haushaltsauflösungen, Spendenabholungen, Straßensammlungen sowie durch Kleidercontainer in der Stadt und im Landkreis Würzburg. Aber auch durch das Projekt „Schatzkiste“, ein Kooperationsprojekt mit der Abfallwirtschaft des Landkreis Würzburg erhalten wir Kleidung für die Wiederverwendung. Im Vorjahr wurden rund 400 Tonnen bei uns sortiert.

Unsere Sortierungen sind darauf ausgerichtet, die Filialen mit Waren zu versorgen. Im Rahmen der Vorsortierung werden die Teile, die sich dem ersten Anschein nach für unseren regulären Verkauf eignen, aussortiert. In diesem Schritt der Vorsortierung wird alles, was keine Kleidung oder Textilien sind, ausgesondert, ebenfalls werden Müll und offensichtlich zu stark verschmutzte und/oder beschädigte Kleidung aussortiert. Accessoires und Saison- bzw. Sonderartikel rund um das Thema Kleidung, wie z.B. Krawatten, Fliegen, Damenstrumpfhosen, Tücher, Schals, Faschingskostüme, etc., und Haushaltstextilien werden bereits in diesem Schritt endsortiert und für den Verkauf vorbereitet.

Im Schritt der Endsortierung werden die Waren von einer weiteren Person gesichtet. Es werden gezielt jeweils die produkttypischen kritischen Stellen, wie z.B. bei Herrenhemden der Kragen näher angeschaut ,sowie der Zustand des Kleidungsstücks bzw. der Abnutzungsgrad bewertet. Auch die Ursprungsqualität und die Marke fließen in die Beurteilung ein. In der Endsortierung wird zwischen Winter- und Sommerwaren unterschieden. Für die Kleidungsstücke und Schuhe gibt es jeweils die Kategorien Damen-, Herren- und Kinderkleidung.

Derzeit werden alle Sommerwaren, die unsere Qualitätskriterien erfüllen für den Verkauf vorbereitet.

Aktuell eingehende Winterwaren werden gekennzeichnet und bis zum Saisonwechsel eingelagert. Die Sommersaison reicht erfahrungsgemäß um genügend Waren für die Wintersaison zu sammeln, gleiches gilt für die Wintersaison. Zum Saisonende erfolgt immer erst ein Schlussverkauf bzw. Sale mit 50 Prozent Rabatt und einem abschließenden Aktionstag an dem jedes Teil für einen Euro verkauft wird. Die Verkaufsflächen werden im Rahmen des Sortimentswechsels komplett geräumt und mit Waren für die nächste Saison bestückt.

Grundsätzlich bietet die Kleidersortierung vielfältige Möglichkeiten, Teilnehmende in den unterschiedlichsten Arbeitsmarktmaßnahmen entsprechend ihrer Fähigkeiten unter Berücksichtigung von Leistungseinschränkungen zu beschäftigen und zu qualifizieren. Es gibt sowohl einfache, aber auch anspruchsvollere Aufgaben. Ebenso können die Arbeiten meist in wechselnden Arbeitspositionen ausgeführt werden.

Entsprechend der allgemeinen Tendenzen ist auch bei uns ein deutlicher Anstieg der Sammelmengen und eine Verschlechterung der Qualität durch „Fast Fashion“ zu erkennen. Die teilweise falsche Berichterstattung rund um die Einführung der Getrenntsammlungspflicht hat die Situation nochmals verschärft. Steigende Mengen, schlechte Qualität sowie ein hoher Müllanteil machen die Sortierung aufwändiger und kostenintensiver. Hinzu kommt, dass sich der weltweite Altkleidermarkt in einer schweren Krise befindet. Es wird für Beschäftigungsbetriebe zunehmend schwieriger Sortierbetriebe zu finden, die Original-Sammelware und insbesondere vorsortierte Waren ankaufen. Reine Sammlungen mit Verkauf an den Großhandel lassen sich wirtschaftlich kaum noch abbilden, weil die Erfassungskosten die Erlöse aus dem Verkauf an Sortierbetriebe übersteigen.

Erschwerend kommt der Rückgang von Arbeitsmarktmaßnahmen hinzu. Die Instrumente nach § 16i SGB II und § 16e SGB II werden von den Jobcentern so gut wie nicht mehr genutzt. Für Arbeitsgelegenheiten werden in verschiedenen Regionen keine Kosten für Anleitung und sozialpädagogische Betreuung mehr übernommen.

Das über viele Jahre gut funktionierende Modell von geförderter Beschäftigung mit Secondhand kommt ins Wanken, wenn es keine Beschäftigungsmaßnahmen mehr gibt. Um die Herausforderungen meistern zu können, müssen bisherige Annahme- und Sammelstrategien überdacht werden. Welche Sammelformen sind überhaupt noch sinnvoll? Ist es möglich die Vermarktung vor Ort und/oder den Online-Handel auszubauen? Gibt es Möglichkeiten außerhalb des SGB II wie z.B. Zuverdienstprojekte, Inklusionsarbeitsplätze, etc.?

Soziale Beschäftigungsbetriebe unterstützen Menschen bei der Integration in den Arbeitsmarkt, ermöglichen soziale sowie berufliche Teilhabe vor Ort und ermöglichen durch den Betrieb von Secondhandgeschäften Wiederverwendung, die ökologisch betrachtet viel sinnvoller als Recycling ist. Außerdem werden die örtlichen Abfallwirtschaftsbetriebe deutlich entlastet. Unter den gegeben Markt- und Rahmenbedingungen scheint es wichtiger denn je Kooperations- und Unterstützungsmöglichkeiten durch die Abfallwirtschaft vor Ort zu prüfen und voranzutreiben. Können Entsorgungskosten erlassen werden? Können für die Bewirtschaftung von Kleidercontainer Kosten übernommen werden?

BRAUCHBAR gGmbH
Sozialkaufhaus

Grombühlstraße 52
97080 Würzburg

+49 931 23009860
[email protected]

www.brauchbarggmbh.de

Unser Autor Thomas Johannes

ist seit 2007 bei der gemeinnützigen BRAUCHBAR GmbH als Sozialpädagoge tätig und hat nach einem berufsbegleitenden MBA-Studium 2017 die Geschäftsführung übernommen.