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Stärkere Leistungsminderungen beim Bürgergeld?

Immer wieder wird in der öffentlichen und politischen Debatte kritisiert, dass die Sanktionen im Bürgergeld zu stark abgemildert wurden. Doch was sagt die Forschung dazu? Verschiedene Studien haben sich mit der Wirkung von Leistungsminderungen in der Grundsicherung befasst. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hat Ergebnisse aus diesem Forschungsfeld zusammengefasst.

Wie wirken Sanktionen?

Forschungen des Instituts zeigen, dass Sanktionen grundsätzlich einen Einfluss auf das Verhalten von Leistungsbeziehenden haben. So führt bereits das Risiko einer Sanktion dazu, dass Betroffene schneller eine Erwerbstätigkeit aufnehmen. Allerdings zeigt sich auch, dass diese Jobs oft niedrig entlohnt sind und die positiven Beschäftigungseffekte langfristig nicht anhalten. In einigen Fällen ziehen sich sanktionierte Personen sogar vollständig vom Arbeitsmarkt zurück.

Leistungsminderungen im Bürgergeld

Seit der Einführung des Bürgergelds werden Sanktionen als „Leistungsminderungen“ bezeichnet, um die Mitwirkungspflicht der Leistungsbeziehenden zu betonen. Eine Analyse aktueller Daten zeigt:

  • 86 % der Leistungsminderungen zwischen Mai 2023 und April 2024 wurden aufgrund von Meldeversäumnissen verhängt – nicht wegen der Ablehnung eines Jobangebots.
  • Leistungsminderungen sind moderater als zuvor: Beim ersten Pflichtverstoß wird der Regelbedarf nur um 10 % für einen Monat gekürzt. Vor der Bürgergeldeinführung waren es bis zu 30 % für drei Monate.
  • Wenig belastbare Erkenntnisse zur neuen Regelung: Bislang gibt es keine umfassenden Wirkungsanalysen zu den aktuellen Leistungsminderungen im Bürgergeld.

Einschätzungen Jobcenter-Mitarbeitender und Leistungsbeziehender

Befragungen unter Jobcenter-Mitarbeitenden zeigen eine gemischte Haltung:

  • Viele Mitarbeitende halten Sanktionen für ein wichtiges Instrument, um bestimmte Gruppen zu erreichen.
  • 73 % der Jobcenter-Mitarbeitenden sind skeptisch gegenüber den abgeschwächten Sanktionen und sprechen sich für eine Rückkehr zu strengeren Regelungen aus.
  • Sanktionierte Personen selbst stimmen mehrheitlich der Aussage zu, dass Leistungsbeziehende ohne Sanktionen „machen würden, was sie wollen“.

Doch Sanktionen haben auch Nebenwirkungen: Betroffene berichten von psychischer Belastung, drohender Sperrung der Energieversorgung oder sogar dem Verlust ihrer Wohnung.

Politische Debatte: Forderungen nach schärferen Sanktionen

Besonders die CDU/CSU fordert eine Verschärfung der Sanktionen. Doch viele Vorschläge berücksichtigen nicht die Komplexität der Thematik. So ist beispielsweise § 31a Abs. 7 SGB II so voraussetzungsvoll formuliert, dass nur wenige Sanktionen dieser Art tatsächlich verhängt werden.

Was sollte bei Reformen der Leistungsminderungen beachtet werden?

Unabhängig von politischen Forderungen sollten Reformen folgende Punkte berücksichtigen:

  • Wirkung auf Beschäftigungsübergänge beachten – härtere Sanktionen dürfen nicht dazu führen, dass sich Betroffene komplett vom Arbeitsmarkt zurückziehen.
  • Verhältnismäßigkeit wahren – das Bundesverfassungsgericht hat 2019 entschieden, dass Sanktionen nicht übermäßig hart sein dürfen.
  • Praktikable Regeln schaffen – Sanktionen müssen so ausgestaltet sein, dass sie leicht handhabbar sind.

Sanktionsreform

Leistungsminderungen haben Auswirkungen – positiv wie negativ. Eine Reform sollte sicherstellen, dass Sanktionen gezielt wirken, aber keine unzumutbaren Härten verursachen. Beispielsweise könnte das Ablehnen einer zumutbaren Arbeit stärker sanktioniert werden als die Nichtteilnahme an einer Maßnahme, deren Nutzen nicht eindeutig ist. Entscheidend ist ein ausgewogenes System, das Mitwirkung einfordert, aber soziale Härten vermeidet.

Weitere Informationen

Die Studien aus dem Forschungsfeld finden Sie hier.

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