Vorwort
Liebe Leserinnen und Leser,
Inflation, Krieg, Corona – und jetzt auch noch Merz im Februar. Die Zeiten sind herausfordernd. Hinzu kommt die angespannte Lage auf dem Altkleidermarkt, der für uns von zentraler Bedeutung ist – und es auch bleiben wird.
Die Variablen sind vielfältig: Seit dem 1. Januar 2025 sind die Kommunen für Alttextilien zuständig. Das bedeutet aber nicht, dass sie automatisch bereit sind, für unsere Restbestände zu zahlen. Gleichzeitig kommt die EU-weite Produzentenverantwortung für Alttextilien erst in ein bis zwei Jahren in Deutschland zum Tragen.
Secondhand boomt. Während der Verkauf von Alttextilien in eigenen Secondhand-Läden zu stabilen und steigenden Einnahmen führt, steigen gleichzeitig die Entsorgungskosten. Denn aktuell bleibt oft nur der Weg in die Müllverbrennung. Besonders hart trifft es jene, die sich ausschließlich auf die Sammlung und Weitergabe an Sortierbetriebe spezialisiert haben – sie stehen vor enormen Problemen. Die Absatzmärkte brechen weg: Der Ukrainekrieg blockiert Osteuropa, der Gaza-Konflikt, der Machtwechsel in Syrien und die wachsende Konkurrenz durch günstige Neuware aus China erschweren den Export nach Vorderasien und Afrika. Die Folge: Überfüllte Lager, massiv gesunkene Preise – oder gar keine Abnahme mehr.
Für uns als Akteure mit laufenden Kosten bedeutet das, dass wir zunehmend zwischen allen Fronten stehen, auf die wir nur teilweise Einfluss nehmen können. Doch diesen Einfluss müssen wir dringend mobilisieren, um sowohl bei den Gemeinden als auch bei den Produzenten dafür zu sorgen, dass unsere Stimme gehört wird, unsere Sorgen ernst genommen werden und wir als Akteure auf dem Markt der Alttextilien akzeptiert und respektiert werden.
Dazu gehören natürlich Informationen und deren Verbreitung, aber auch die klare Erkenntnis, dass wir uns zusammenschließen müssen. Der Alttextilmarkt ist zu wichtig für uns und unsere Kunden, um ihn allein der Industrie und den Lobbyverbänden zu überlassen. Nur mit gemeinsamer Stimme können wir laut genug sprechen, damit unser Anliegen Gehör findet. Also raus aus der unpolitischen Ecke. Jetzt ist die Zeit, Ideen und Konzepte zu entwickeln, sie den politisch Verantwortlichen zu präsentieren und durch solidarischen Druck realistische Lösungen durchzusetzen.
Viel Spaß beim Lesen,
Claudio Vendramin
Vorstand der bag arbeit
Unser autor Claudio Vendramin
ist Vorstand der bag arbeit und geschäftsführender Vorstand des Arbeitskreises Recycling e.V. sowie Vorstand des Re-Use Deutschland e.V.