Das Magazin des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat eine neue Forschungsserie ins Leben gerufen. Im Mittelpunkt steht die wissenschaftliche Evaluation der Einführung des Bürgergeldes sowie der damit verbundenen Reformen und gesetzlichen Änderungen. Für die Untersuchungen zieht das IAB die Erfahrungen und Einschätzungen von Mitarbeitenden der Jobcenter heran. Der erste Beitrag der Serie analysiert, wie die Reformen des Bürgergeldes wahrgenommen und bewertet werden.
Bürgergeld – Evaluation
20.11.2024 | Arbeit und Bildung, News, Themen
Zu Jahresbeginn 2023 ist das neue Bürgergeld-Gesetz in Kraft getreten. Im Fokus stehen eine nachhaltige Vermittlung sowie bessere Möglichkeiten zur Qualifizierung und Weiterbildung für Bürgergeldempfänger:innen. Um die Grundsicherung weiterzuentwickeln und langfristig zu verbessern, werden regelmäßig Änderungen und Reformen geplant und umgesetzt. Diese hohe Reformdynamik wird voraussichtlich auch unter einer neuen Regierung bestehen bleiben. Das grundsätzliche Ziel bleibt jedoch unverändert: Neben der sozialen Absicherung sollen Bürgergeld-Berechtigte in die Lage versetzt werden, ihren Lebensunterhalt selbstständig zu finanzieren.
Die Forschung
Als erste bundesweite Initiative befragt das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) die Beschäftigten der Jobcenter zu deren Einschätzungen. Diese Beschäftigten bilden das Bindeglied zwischen Bürgergeld und Bevölkerung: Sie setzen die Gesetze für die Berechtigten vor Ort um und passen ihre Arbeit an die jeweiligen Reformen an. Ihre Perspektiven sind daher entscheidend, um sich ein genaues Bild von der Umsetzung des Bürgergeldes zu machen.
Im Rahmen der Forschung wurden 289 obere Führungskräfte, fast 1.500 Beschäftigte aus der Beratung und Vermittlung sowie knapp 1.000 Beschäftigte aus der Leistungssachbearbeitung aus insgesamt 360 Jobcentern befragt. In einer Online-Befragung gaben sie ihre Meinung zu 18 Einzelregelungen des Bürgergeldes ab. Die Einschätzungen erfolgten auf einer siebenstufigen Skala, die von „sehr sinnvoll“ über „teils, teils“ bis hin zu „überhaupt nicht sinnvoll“ reichte.
Trotz ihrer professionellen Rolle in den Jobcentern ist es wichtig zu berücksichtigen, dass auch persönliche Meinungen – geprägt durch das tägliche Leben und den öffentlichen Diskurs – Einfluss auf ihre Bewertungen nehmen können.
Die Ergebnisse
Die verschiedenen Regelungen lassen sich in drei übergeordnete Kategorien einteilen: „Arbeitsanreize und Fordern“, „Beraten und Fördern“ sowie „Sonstige Elemente“.
Arbeitsanreize und fordern
Die größte Zustimmung in diesem Teilbereich erhalten anrechnungsfreie Ferienjobs und Ehrenämter. Aufwandsentschädigungen und Entgelte aus diesen Tätigkeiten müssen nicht mehr mit dem Bürgergeld verrechnet werden. Dies reduziert den bürokratischen Aufwand und sorgt für eine spürbare Entlastung.
Am Ende der Zustimmungsskala steht der sogenannte Job-Turbo, der auf eine schnelle Arbeitsvermittlung von Geflüchteten abzielt. Zwei Hauptgründe für diese kritische Bewertung wurden identifiziert: Zum einen widerspricht die schnelle Arbeitsvermittlung häufig der Priorität einer nachhaltigen Integration, die auf Qualifizierung und Spracherwerb setzt. Zum anderen wird der Job-Turbo als zusätzliche Belastung wahrgenommen, da die strengen Vorgaben den Handlungsspielraum der Beratung stark einschränken und den Arbeitsaufwand erhöhen.
Beraten und Fördern
Besonders positiv werden in dieser Kategorie die Instrumente „ganzheitliche Betreuung“ und „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ bewertet. Beide Maßnahmen zielen auf Bürgergeld-Berechtigte mit schwerwiegenden Vermittlungshemmnissen ab und ermöglichen eine individuelle sowie spezialisierte Förderung.
Das neue Instrument des Schlichtungsverfahrens hingegen stößt auf weniger Zustimmung. Ein Großteil der Befragten hält es für nicht sinnvoll. Das Verfahren soll bei Unstimmigkeiten zwischen der Ansprechperson und der Bürgergeld-berechtigten Person über den Kooperationsplan eingesetzt werden. Da jedoch der Kooperationsplan einen rechtsunverbindlichen Leitfaden darstellt, treten Konflikte, die Schlichtung bedürfen, häufiger an anderer Stelle auf.
Sonstige Elemente
Digitale Bürgergeld-Anträge werden als besonders sinnvoll wahrgenommen. Sie erleichtern den Zugang zu Sozialleistungen erheblich und tragen dazu bei, Bürokratie abzubauen.
Die am wenigsten sinnvoll eingeschätzte Einzelregelung in dieser Kategorie ist die „Karenzzeit Vermögen“. Sie ermöglicht vorübergehend den Bezug von Bürgergeld auch für Personen mit höheren Ersparnissen.
Weiterführende Informationen
Die vollständige Auswertung der bundesweiten Befragung von Jobcentern durch das Magazin des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).