Der neue Verteilungsbericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung analysiert eine deutliche Zunahme in der Einkommensungleichheit und Armut in Deutschland. Die Anzahl der Menschen in Armut liegt auf dem Höchststand. Materielle Einschränkungen und Zukunftssorgen sind für einen wachsenden Teil der Bevölkerung zum Alltag geworden.
Einkommensungleichheit und Armut nehmen zu
07.11.2024 | Arbeit und Bildung, News
Obwohl im vergangenen Jahrzehnt insgesamt eine positive Wirtschafts- und Einkommensentwicklung verzeichnet werden konnte, profitiert in Deutschland nicht jeder von diesen Entwicklungen. Besonders Menschen am unteren Ende der Einkommensverteilung konnten nur wenig reale Verbesserung feststellen. Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Institut analysiert die Entwicklung und Stimmung dieser Menschen mittels zweier repräsentativer Befragungen und kommt zu folgenden Ergebnissen.
Die Ergebnisse
Die Einkommensungleichheit befindet sich auf einem neuen Höchststand. Wie bereits in der Vergangenheit, setzt sich der Trend von zunehmender Ungleichheiter weiter fort.
Auch die Einkommensarmut hat zugenommen. Dies bedeutet, dass die Anzahl der Haushalte, die weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung haben, beziehungsweise Menschen in strenger Armut, die nicht einmal 50 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung haben, gestiegen ist. Auch hier kann ein Trend beobachtet werden: Im Jahr 2021 lebten nach 17,8 Prozent der Menschen in Deutschland in Armut, 11,3 Prozent sogar in strenger Armut. 2010 lagen die beiden Quoten noch bei 14,2 bzw. 7,8 Prozent. Besonders betroffen von Armut sind Arbeitslose sowie Menschen ohne beruflichen Bildungsabschluss. Auch Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund sind überdurchschnittlich oft am unteren Rand der Einkommensverteilung repräsentiert.
Folgen der wachsenden Ungleichheiten
Diese Entwicklungen äußern sich in Sorgen und Existenzängsten. Besonders Menschen mit niedrigem Einkommen äußern Angst um finanzielle Sicherheit und Abstieg des Lebensstandards. Diese Sorgen existieren jedoch über die unteren Ränder der Einkommensverteilung hinaus und bestehen bis weit in die Mittelschicht.
Diese faktische und gefühlte Not wirkt sich auch auf Alltäglichkeiten aus. Der Zugang zu kulturellen Angeboten wird erschwert und zum Teil unmöglich gemacht. So berichten 17 Prozent der der unteren Gruppe, dass sie sich einen Besuch im Kino oder einer Sportveranstaltung nicht leisten können. Diese geringeren Teilhabemöglichkeiten lassen sich außerdem nur schwer durch persönliche Kontakte ausgleichen, da Menschen mit niedrigem Einkommen häufiger alleinstehend sind und nach eigener Einschätzung seltener enge Freunde haben.
Verunsicherung und fehlende Teilhabe spiegelt sich in kritischen Einstellungen gegenüber der Demokratie und staatlichen Institutionen wider. Es entsteht ein Kreislauf aus Misstrauen in staatliche Institutionen, Verzicht auf politische Partizipation und reduzierte Teilhabe. Rechter Parteien schaffen es, Existenzängste zu instrumentalisieren und üben so einen gefährlichen Einfluss auf Menschen in Armut aus.
Diese Trends bestehen schon über viele Jahre und sind sehr beunruhigend. Aus diesem Grund werden zusätzlich Maßnahmen präsentiert, die es umzusetzen gilt, damit wachsender Ungleichheit und Marginalisierung entgegengewirkt werden kann.
Empfohlene Maßnahmen
- Wirksame Grundsicherung: Es muss ein Mindestmaß an Teilhabe ermöglicht werden.
- Qualifizierung und bessere Vereinbarkeit: Zielgerichtete Qualifizierungsmaßnahmen und die Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind nötig, um Teilhabemöglichkeiten zu verbessern.
- Sicherung durch Sozialversicherung: Gesellschaftliche Teilhabe kann durch Sozialversicherungssysteme gestärkt werden.
- Bessere (soziale) Infrastruktur: Eine bessere Ausstattung des Bildungssystems, gutes Quatiersmanagemt und öffentliche Infrastruktur sind wichtig für die Teilhabe der unteren Einkommensgruppen.
Weiterführende Informationen
Der Verteilungsbericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung