In der politischen Debatte wird oft behauptet, dass sich Arbeit durch das gestiegene Bürgergeld nicht mehr lohne. Diese Aussage findet sich beispielsweise im Wahlprogramm der CDU/CSU wieder. Doch ein genauer Blick auf die Zahlen zeigt, dass diese Behauptung nicht haltbar ist. Ein Beitrag des WSI (Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut) der Hans-Böckler-Stiftung hat sich die Zahlen und Entwicklungen genauer angeschaut und für uns analysiert.
Lohnt sich Arbeiten noch? Die klare Antwort: Ja!
05.02.2025 | Allgemein, Arbeit und Bildung, News, Themen
Lohnentwicklung vs. Bürgergeld
Seit 2021 ist der Mindestlohn um 34,9 % gestiegen, während das Bürgergeld um 26,2 % erhöht wurde. Zwar handelt es sich beim Bürgergeld um eine Nettoleistung und beim Mindestlohn um einen Bruttobetrag, von dem noch Steuern und Sozialabgaben abgezogen werden, jedoch liegt das Einkommen von Erwerbstätigen selbst bei einem Nettovergleich weiterhin deutlich über dem Bürgergeld.
Wie lassen sich Löhne und Bürgergeld korrekt vergleichen?
Ein fairer Vergleich zwischen Löhnen und Bürgergeld muss verschiedene Faktoren berücksichtigen. Auf Seiten des Bürgergeldes spielen neben dem bundeseinheitlichen Regelbedarf auch zusätzliche Leistungen eine Rolle, etwa der Mehrbedarf für Alleinerziehende, der sich nach Anzahl und Alter der Kinder richtet. Hinzu kommen die Kosten der Unterkunft und Heizung. Die Summe dieser ergibt den sogenannten SGB-II-Gesamtbedarf.
Da das Bürgergeld eine subsidiäre Sozialleistung ist, wird eigenes Einkommen innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft in der Regel vollständig auf den Bedarf angerechnet. Das bedeutet, dass die Höhe des Bürgergeldes in vielen Fällen nicht mit dem Gesamtbedarf übereinstimmt, da Kindergeld, Unterhaltsvorschuss oder ein eigenes Erwerbseinkommen die Leistung reduzieren.
Seit Juni 2022 gibt es zudem einen monatlichen Sofortzuschlag pro Kind, der ab 2025 auf 25 Euro steigt. Diese Zusatzleistung wird nicht auf den SGB-II-Bedarf angerechnet, sodass Familien mit Kindern ein höheres verfügbares Einkommen haben. Geringverdiener-Haushalte, die keinen Anspruch auf Bürgergeld haben, erhalten den Sofortzuschlag über den Kinderzuschlag, dessen Maximalbetrag entsprechend erhöht wurde.
Beim Vergleich mit Löhnen muss zudem der sogenannte Erwerbstätigen-Freibetrag beachtet werden. Er sorgt dafür, dass Aufstocker:innen, die zusätzlich zu ihrem Bürgergeld arbeiten, immer ein höheres Einkommen haben als nicht erwerbstätige Bürgergeldbezieher.
Auch nicht aufstockende Geringverdiener-Haushalte müssen neben dem Nettolohn weitere Einkommensquellen einbeziehen, etwa Kindergeld oder Unterhaltsvorschuss für Alleinerziehende. Falls Bürgergeldbezieher durch Wohngeld und/oder Kinderzuschlag ihren Bedarf decken können, entfällt der Anspruch auf Bürgergeld. Eine gleichzeitige Zahlung von Bürgergeld und diesen Leistungen ist nicht möglich.
Zudem profitieren Familien mit Kinderzuschlag von vielen Vergünstigungen, die auch Bürgergeldempfänger erhalten – beispielsweise Bildungs- und Teilhabeleistungen oder eine Befreiung von Kita-Gebühren. Die GEZ-Befreiung bleibt jedoch Bürgergeldempfängern vorbehalten
„Arbeiten lohnt sich nicht mehr“? – Ein Irrtum
Die Sozialgesetzgebung sorgt dafür, dass erwerbstätige Bürgergeldempfänger durch Freibeträge immer ein höheres Einkommen haben als nicht erwerbstätige Bürgergeldbezieher.
Beispiel: Ein Alleinverdiener mit 38-Stunden-Woche und einem Mindestlohn von aktuell 12,82 € kommt auf einen Bruttolohn von 2.110 €. Nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben sowie unter Berücksichtigung zustehender Sozialtransfers liegt sein verfügbares Einkommen über dem Bürgergeldniveau. Vollzeitbeschäftigten Geringverdiener-Haushalten steht also ein deutlich höheres verfügbares Einkommen zu, als nicht erwerbstätigen SGB-II-Haushalten.
Lohnabstand ist gestiegen, nicht gesunken
Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung ist der Abstand zwischen Lohn und Bürgergeld, gegenüber 2021 gestiegen. Der Mindestlohn hat sich in den letzten Jahren stärker erhöht als das Bürgergeld. Gleichzeitig ist das Schwellen-Brutto – also das Einkommen, ab dem kein Bürgergeld mehr gezahlt wird – für fast alle Haushaltstypen gesunken.
Fazit: Arbeit lohnt sich weiterhin
Die oft geäußerte Behauptung, dass sich Arbeit nicht mehr lohne oder der Abstand zwischen Löhnen und Bürgergeld gesunken sei, entspricht nicht der Realität. Tatsächlich profitieren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weiterhin finanziell von ihrer Erwerbstätigkeit – vor allem durch Freibeträge, Sozialtransfers und die steigenden Löhne.
Weitere Informationen
Die Analyse von Johannes Steffen finden Sie hier.