In einer gemeinsamen Stellungnahme haben die Bundesarbeitsgemeinschaft Arbeit (bag arbeit), der Bundesverband der Träger beruflicher Bildung (Bildungsverband) e.V., der Evangelischer Fachverband für Arbeit und soziale Integration e.V. und der Verband Deutscher Privatschulverbände e.V. Stellung zum Referentenentwurf der Integrationskursverordnung (5. IntVÄndVO) genommen.
Stellungnahme zum Referentenentwurf der Integrationskursverordnung
29.10.2024 | News, Positionen
Stellungnahme zum Referentenentwurf der Integrationskursverordnung (5. IntVÄndVO)
Die in den Verbänden bag arbeit, Bundesverband der Träger beruflicher Bildung (Bildungsverband) e.V., Evangelischer Fachverband für Arbeit und soziale Integration e.V. und Verband Deutscher Privatschulverbände e.V. organisierten Bildungsträger bieten eine erhebliche Anzahl der bundesweiten Integrationskurse an und tragen damit maßgeblich zur erfolgreichen Integration von Migrantinnen und Migranten in Deutschland bei.
Vor diesem Hintergrund begrüßen sie die Möglichkeit, eine Stellungnahme zu den Stärken, Schwächen und Verbesserungspotenzialen des Entwurfs einzubringen.
Zu den vorgeschlagenen Änderungen im Einzelnen:
§ 4a Fahrtkostenerstattung
Der Wegfall der Fahrtkostenzuschüsse für bestimmte Personengruppen bedarf weiterer Klarstellungen hinsichtlich der Kriterien für die Bewilligung. Es fehlt zudem ein digitaler Zugang für Kursanbieter, um Anträge wie die Fahrtkostenerstattung online einzureichen. Eine stärkere Digitalisierung würde den administrativen Aufwand sowohl für die Träger als auch die Teilnehmenden erheblich reduzieren.
§ 5 Absatz 5 – Zulassung und Wiederholung
Die geplante Einschränkung der Wiederholungsmöglichkeiten erachten wir als problematisch. Viele Teilnehmende, die Schwierigkeiten mit dem Erlernen einer neuen Sprache haben, benötigen mehr Zeit, um das angestrebte Sprachniveau B1 zu erreichen. Eine flexiblere Regelung wäre daher sinnvoll, um den unterschiedlichen Lernvoraussetzungen und -fähigkeiten gerecht zu werden. Es sollte zudem gewährleistet sein, dass alle Teilnehmenden, die das Sprachniveau B1 nicht erreichen, automatisch die Berechtigung zur Teilnahme an einem Berufssprachkurs erhalten. Dies würde ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt erheblich verbessern.
Wir teilen die Annahme, dass die Begrenzung der Wiederholungen die Motivation zur Erreichung des Sprachniveaus B1 erhöhen würde, nur eingeschränkt. Zwar mag ein kleiner Teil der Teilnehmenden zusätzliche Unterrichtsstunden als Alternative zur Arbeitsaufnahme nutzen wollen, doch für viele – insbesondere für diejenigen, die Schwierigkeiten mit dem Erlernen einer neuen Sprache haben – ist es schlichtweg nicht möglich, das Sprachniveau im vorgegebenen Zeitrahmen zu erlangen. Da das B1-Niveau eine zentrale Voraussetzung für den selbstständigen Spracherwerb und die Integration in den Arbeitsmarkt darstellt, sollte diese Grundlage bereits vor der Arbeitsaufnahme sichergestellt sein.
Zwar sind die neuen Job-BSK-Kurse, die Sprachförderung mit der Arbeitsaufnahme kombinieren, grundsätzlich sinnvoll, doch können sie nur dann erfolgreich sein, wenn die Teilnehmenden bereits über ausreichende Grundkenntnisse zur Verständigung verfügen. Eine flexiblere Handhabung der Wiederholungsmöglichkeiten ist daher notwendig, um den individuellen Bedürfnissen der Teilnehmenden besser gerecht zu werden.
Berufsbegleitender weiterer Spracherwerb wird zudem im Gesamtprogramm Sprache u.a. durch neu entwickelte Berufssprachkurse wie den Job-Berufssprachkurs oder Selbstlernangebote externer Anbieter in Folge ermöglicht.
Wir begrüßen die Erwähnung berufsbegleitender Selbstlernangebote im RefE und sehen darin eine sinnvolle Ergänzung, um die Integration erwerbsfähiger Personen zu beschleunigen. Allerdings möchten wir darauf hinweisen, dass es derzeit keine klare Finanzierung für diese Angebote gibt. Eine entsprechende finanzielle Absicherung wäre essenziell, um die erfolgreiche Umsetzung sicherzustellen. Darüber hinaus könnte diese Form des Selbstlernens auch eine Option für Teilnehmer sein, die ihre Unterrichtsstunden ausgeschöpft haben und weiteren Unterstützungsbedarf haben, insbesondere für Wiederholer.
§ 6 Absatz 4 – Merkblätter in verständlicher Sprache
Die Streichung der Merkblätter in „verständlicher Sprache“ ist nicht nachvollziehbar. Ein vertretbarer Aufwand wäre es, diese Merkblätter zumindest in den gängigsten Sprachen zu übersetzen und bei Änderungen anzupassen. Eine verständliche Orientierung ist gerade in komplexen bürokratischen Prozessen unerlässlich und würde den Teilnehmenden helfen, sich schneller zu integrieren. Hier könnte der Einsatz von KI und Digitalisierung Kosten und Aufwand weiter minimieren.
§ 7 Zusteuerung durch Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende
Die Integration der Träger der Grundsicherung in den Zusteuerungsprozess ist grundsätzlich zu begrüßen. Der Engpass liegt jedoch nicht in der Zusteuerung, sondern in der Verfügbarkeit von Kursen, bedingt durch den Mangel an qualifizierten Lehrkräften. Die aktuellen Anforderungen an Dozierende sind zu hoch, und flexible Lösungen sind dringend erforderlich, um die Personallücke zu schließen.
§ 13 – Integrationskurse für spezielle Zielgruppen
Die bisher vorgesehene Reglung in § 13 sieht ein breites Spektrum an Zielgruppen vor. Diese bisherige Strukturierung der Kurse nach Lernvoraussetzungen ist ein positiver Aspekt, da dies eine gezieltere Förderung ermöglicht.
Jedoch ist die geplante Zielgruppeneinschränkung (Streichung der Jugendintegrationskurse und Eltern- oder Frauenintegrationskurse) problematisch. Diese Kurse bieten jungen Menschen nicht nur eine intensive Sprachförderung, sondern auch sozialpädagogische Betreuung und berufliche Orientierung. Gerade die Altersnähe innerhalb der Gruppen fördert den Austausch und die Integration, und die spezialisierte Berufsberatung unterstützt den Übergang in die Arbeitswelt. Die Abschaffung dieser Kurse würde einen wichtigen integrativen Baustein für junge Migranten und Migrantinnen entfernen. Der Wegfall der Eltern-/ Frauenintegrationskurse könnte die Barrieren zur Teilnahme dieser Zielgruppe deutlich erhöhen und in der Konsequenz eine Gruppe treffen, die spezifischer Unterstützung bedarf.
§ 19 Anforderungen an den Zulassungsantrag
- Erhöhung der Frist auf fünf Jahre (Absatz 1, Satz 1, Nr. 4):
- Die Fristverlängerung von drei auf fünf Jahre für die Anforderungen zur Vorlage bestimmter Erklärungen, wie Insolvenz- oder Strafverfahren, könnte einerseits den Verwaltungsaufwand für Träger erhöhen, da längere Fristen mehr Dokumentation und Nachweise erfordern. Andererseits bringt dies für Bildungsträger, die ihre Akkreditierungen alle drei Jahre erneuern müssen, zusätzliche Komplexität und Bürokratie, ohne einen klaren Mehrwert für die Qualitätssicherung aufzuzeigen.
- Anforderungen an Qualitätsnachweise (Absatz 3):
- Die Vorgabe, dass die Träger einen vom BAMF anerkannten Nachweis über Maßnahmen zur Qualitätssicherung und -entwicklung vorlegen müssen, könnte zu einer Verschärfung führen, da nicht explizit definiert wird, welche Nachweise als ausreichend gelten. Obwohl in der Praxis häufig Zertifizierungen wie AZAV oder ISO 9001 verwendet werden, besteht Unsicherheit, ob diese auch in Zukunft als ausreichend erachtet werden. Diese Unklarheit könnte Trägern zusätzlichen Aufwand bescheren, um neue Zertifizierungen zu erlangen, was insbesondere für kleinere Bildungsträger eine finanzielle Belastung darstellen könnte.
- Zentralisierung der Abschlusstests (Absatz 5):
- Die Möglichkeit, Abschlusstests durch externe, vom BAMF beauftragte Stellen zentral durchführen zu lassen, könnte zu einem Verlust an Flexibilität für die Bildungsträger führen. Bisher konnten viele Anbieter die Tests in ihren eigenen Räumlichkeiten durchführen, was logistische Vorteile und eine vertraute Umgebung für die Teilnehmenden darstellt. Die Zentralisierung könnte zu organisatorischen Herausforderungen führen und den Teilnehmenden möglicherweise zusätzliche Hürden bereiten (z.B. längere Anfahrtswege oder ungewohnte Testumgebungen), was den Erfolg der Testabsolvierung negativ beeinflussen könnte.
- Vereinheitlichung und Harmonisierung mit Berufssprachkursen (Absatz 2, Nr. 2):
- Während die Harmonisierung von Qualitätsanforderungen zwischen Integrationskursen und Berufssprachkursen sinnvoll erscheint, könnte sie zu einem Mehraufwand für die Träger führen, da die Berufssprachkurse bereits strenge Anforderungen an die Qualitätssicherung stellen. Dies könnte insbesondere für Bildungsträger, die bisher hauptsächlich Integrationskurse anbieten, eine Verschärfung bedeuten, da sie zusätzliche Maßnahmen zur Qualitätssicherung implementieren müssten, um den neuen Anforderungen zu genügen.
Zusammenfassung – Vorschläge zur Anpassung
- Erweiterung der Wiederholungsmöglichkeiten: Alle Teilnehmenden, die das Sprachniveau B1 nicht erreichen, sollten weiterhin die Möglichkeit zur Wiederholung erhalten.
- Erhalt der Jugend-Integrationskurse: Diese Kurse haben einen hohen Mehrwert für junge Menschen und sollten aufgrund ihrer entscheidenden Rolle für die sprachliche, soziale und berufliche Integration beibehalten werden.
- Angebote mit Kinderbeaufsichtigung: Es besteht nach wie vor ein großes Defizit von Kursen, bei denen parallel die Kinder beaufsichtigt werden.
- Anpassung der Trägerkosten: Die seit langem nicht mehr angepassten Kostenstrukturen für Träger müssen dringend überprüft, um weiterhin eine attraktive Bezahlung der Lehrkräfte zu ermöglichen und steigende Sachkosten zu finanzieren.
- Die vorgesehene Reduzierung des bürokratischen Aufwands, insbesondere durch die Streichung von bestimmten Informationspflichten und die Anpassungen bei der Trägerzulassung, ist zu begrüßen. Eine weitergehende Digitalisierung der Antrags- und Verwaltungsprozesse wäre jedoch ein entscheidender Schritt, um den Aufwand für Bildungsträger und Teilnehmende erheblich zu verringern. Derzeit bestehen noch erhebliche Verzögerungen durch papierbasierte Verfahren. Es wäre wünschenswert, dass Kursanbieter die Möglichkeit erhalten, Anträge für die Teilnehmenden direkt online einzureichen, um den administrativen Prozess effizienter zu gestalten und die Bearbeitungszeit zu verkürzen. Eine umfassendere Digitalisierung könnte somit sowohl den Verwaltungsaufwand für das BAMF als auch für die Bildungsträger erheblich reduzieren und zugleich ressourcenschonendere Abläufe ermöglichen. Die teilweise noch analogen Verfahren entsprechen nicht mehr den Anforderungen moderner Verwaltungsabläufe und belasten unnötig die Kapazitäten der Bildungsanbieter.
Berlin, im Oktober 2024
Die Stellungnahme als PDF
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