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Gemeinsame Stellungnahme zum SGB III Modernisierungsgesetz

Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der Arbeitslosenversicherung und Arbeitsförderung (SGB III-Modernisierungsgesetz) des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 18. Juni 2024

Die Verbände bag arbeit, Bundesverband der Träger beruflicher Bildung (Bildungsverband) e.V., Evangelischer Fachverband für Arbeit und soziale Integration e.V. und Verband Deutscher Privatschulverbände e.V. repräsentieren zusammen mehr als 80 Prozent der Unternehmen in den Bereichen der betrieblichen und privaten Weiterbildung, beruflichen Erwachsenenbildung, Arbeitsmarktdienstleistungen und Beschäftigungsangebote.

Wir bedanken uns für die Möglichkeit, zu dem Referentenwurf (RefE) folgende gemeinsame Stellungnahme abgeben zu können.

Grundsätzlich begrüßen wir, dass die Möglichkeiten der Arbeitsförderung im SGB III mit erfolgreichen Ansätzen des SGB II erweitert werden, junge Menschen künftig auch im SGB III umfassend und nachhaltig im Bereich Ausbildung und Arbeit beraten und bei Bedarf erforderliche kommunale Leistungen zugänglich gemacht werden. Junge Menschen, die keinen Anspruch auf Bürgergeld haben und bisher keinen Kontakt zu den Agenturen für Arbeit erhalten nun die Förderung für schwer zu erreichende junge Menschen, die sich im SGBII bereits bisher bewährt haben.

Der vorliegende Referentenentwurf verfolgt im Wesentlichen folgende Zielsetzungen und Anpassungen im SGB III:

  • Weiterentwicklung des Vermittlungsprozesses („Kooperationsplan“ und Anpassungen bei Vorgaben für Beratungs- und Vermittlungsgespräche)
  • Anpassung der Förderinstrumente
    • Leistungen, die sich im SGB II bei der Integration bewährt haben, werden in das SGB III eingeführt. Beratung soll zudem ganzheitlicher und nachhaltiger werden.
    • 9b SGB III-RefE: Die Bezeichnung der Jugendberufsagentur wird in das SGB III übernommen, da eine ganzheitliche Beratung und Betreuung die Kooperation mit allen Akteuren am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt erforderlich machen.
    • 28b Abs. 1 SGB III – RefE: Umfassende und nachhaltige Betreuung der jungen Menschen durch die Agenturen für Arbeit. Ziel der Beratung: Heranführung, Aufnahme, Beibehaltung oder Ausweitung einer Ausbildung oder Arbeit
    • 28b Abs. 2 SGB III – RefE: Ganzheitliche Beratung und Betreuung und die Möglichkeit eins Fallmanagements.
    • 37 Abs. 2 und 3 SGB III-RefE: Einführung eines „Kooperationsplans“ statt einer Eingliederungsvereinbarung
    • 81 Abs. 3 und §a SGB III-RefE verankert, dass der Erwerb von Grundkompetenzen sowie das Nachholen des Hauptschulabschlusses auch für geringqualifizierte Beschäftigte eigenständig gefördert werden kann.
  • Vereinfachung und Entlastung im Leistungsrecht („Erreichbarkeitsrecht“ und „Berechnung des Arbeitslosengeldes“)

 

Zu den vorgeschlagenen Änderungen im Vermittlungsprozess und den Förderinstrumenten im Einzelnen:

 

1. Weiterentwicklung des Vermittlungsprozesses

Der RefE sieht vor, die Eingliederungsvereinbarung (§ 37 Abs. 2 und 3 SGB III – RefE) durch eine Kooperationsvereinbarung zu ersetzen. Dieser Ansatz wird aus dem neuen Bürgergeldgesetz auf die Arbeitsförderung übertragen, so dass es sich in gewisser Weise um Folgeänderungen des Bürgergeldgesetzes handelt. In jedem Fall ist kritisch zu evaluieren, ob sich dieser rechtlich unverbindlichere Kooperationsplan im SGB III künftig bewähren wird oder ob er die Zusammenarbeit mit den jungen Menschen und die Vermittlungstätigkeit in der Konsequenz erschwert. Das Ziel der Integration in Ausbildung und Arbeit sollte vorangestellt bleiben.

Daneben wird auch die Möglichkeit der Videotelefonie für Beratungs- und Vermittlungsgespräche geschaffen (§§ 141, 309 SGB III- RefE). Da dieses ausdrücklich nur im beiderseitigen Einvernehmen zwischen der Agentur für Arbeit und dem arbeitslosen Menschen erlaubt ist, gibt es im Grundsatz dagegen keine Bedenken. Die Präsenzpflicht für persönliche Gespräche ist nicht zwanghaft aufrechtzuerhalten. Zu berücksichtigen bleibt jedoch, dass digitalisierte Verfahren und technikgestützte Beratungssituationen nicht für alle Menschen geeignet sind. Die Digitalisierung des Beratungs- und Vermittlungsverfahrens darf keineswegs zu einer zusätzlichen Verdichtung, einer geringeren Intensität und Qualität der Betreuung der unterstützungsbedürftigen Menschen führen.

 

 2. Anpassung der Förderinstrumente

Die Verbände begrüßen ausdrücklich, dass die Möglichkeiten der Arbeitsförderung für junge Menschen, die keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II haben, nun im SGB III deutlich erweitert werden. Dass die Beratung zudem ganzheitlicher und nachhaltiger werden soll, ermöglicht, dass künftig auch die Agenturen für Arbeit die Möglichkeit erhalten, ihre Potentiale und Ressourcen im Beratungsprozess mit jungen Menschen einzusetzen. Dabei wird es im Wesentlichen darauf ankommen, dass die Fach- und Leitungskräfte in den Agenturen dafür geschult und weiterqualifiziert werden und diese in enger Verzahnung mit den Akteuren vor Ort u.a. der Jugendhilfe und Bildungsträger abzustimmen und anzubieten.

Eine rechtskreisübergreifende Kooperation am Übergang von der Schule in den Beruf (Jugendberufsagenturen) zwischen allen wesentlichen Akteurinnen und Akteure, worauf § 10 SGB III-RefE Bezug nimmt, ist zweifellos wünschenswert. Allerdings ist eine koordinierende Aufgabe der Agenturen für Arbeit abzulehnen.

Es ist darauf zu achten, dass die Trennung der Kernaufgaben von Kommunen / Jobcenter und der Agentur für Arbeit in Bezug auf die spezifischen Zielgruppen im Prozess klar eingehalten wird. Hierbei ist im Sinne einer effektiven KundInnenförderung weiterhin auf die hohe Kompetenz der bestehenden kommunalen Strukturen zu setzen.

Da das Gesetz in § 31 b SGB III-RefE ein Förderinstrument aus dem SGB II in das SGB III übernimmt, sollte der Gesetzgeber auch das Subsidiaritätsprinzip des § 17 SGB II in das SGB III überführen. Danach dürften die Agenturen für Arbeit als öffentlicher Leistungsträger eigene Einrichtungen und Dienste nicht neu schaffen, soweit geeignete Einrichtungen und Dienste privater Dritter vorhanden sind, ausgebaut oder in Kürze geschaffen werden können.

Der vorliegende Entwurf übernimmt zudem zur Förderung schwer zu erreichenden junger Menschen den § 16 h SGB II aus der Grundsicherung als § 31 b SGB III-RefE in die Arbeitsförderung. Das ist im Grundsatz zu begrüßen.

Als grundlegendes Versäumnis der vorgelegten Fassung des § 28b SGB ist anzusehen, dass Regelungen darüber fehlen, wer die Betreuung durchführt. § 16 k SGB II z.B. kennt drei Durchführungswese: Durch die Agentur für Arbeit selbst oder durch beauftragte Dritte entweder im Wege der öffentlichen Vergabe oder im Wege der Zulassung und Gutscheinfinanzierung.

Dass künftig eine Nachbetreuung von jungen Menschen nach dem Beginn eines Arbeitsverhältnisses oder nach Abschluss einer Berufsausbildung (§ 76 SGB III) erfolgen soll, folgt schon lange angestellten Überlegungen. Sie dient der Stabilisierung der jungen Menschen und ermöglicht ggf. ein schnelles Eingreifen für den Fall, dass z.B. das Arbeitsverhältnis während der Probezeit gekündigt wird.

Letztlich wird im Gesetz „klargestellt“, dass der nachträgliche Erwerb eines Hauptschulabschlusses und der Erwerb von Grundkompetenzen (§ 81 SGB III_RefE) auch für Geringqualifizierte, d.h. für Menschen ohne oder mit einem am Arbeitsmarkt nicht mehr verwertbaren Berufsabschluss, „isoliert“ förderfähig sind.

Der RefE sieht eine Verstetigung der Anerkennungs- und Qualifizierungsberatung für jene Menschen vor, die im Ausland erworbene Berufsabschlüsse anerkennen lassen. Dafür wurde in den vergangenen Jahren das IQ-Netzwerk aufgebaut, denn gesetzlicher Auftrag der BA ist ausschließlich die arbeitsmarktbezogene Beratung. Vor diesem Hintergrund sollte die BA auch zukünftig in diesem Bereich auf die qualifizierten Beratungsstellen der Länder verweisen, um hier auch zukünftig keine Doppelstrukturen in der Beratung zu schaffen.

 

Berlin, im Juli 2024

 

Verband Deutscher Privatschulverbände e.V., Ellen Jacob, Bundesgeschäftsführerin

Bundesverband der Träger beruflicher Bildung (Bildungsverband) e.V. (BBB), Sören Kosanke, Geschäftsführer

Evangelischer Fachverband für Arbeit und soziale Integration e.V. (EFAS), Katrin Hogh, Geschäftsführerin

Bundesarbeitsgemeinschaft Arbeit e.V. (bag arbeit), Alina Simon, Geschäftsführerin

Die Stellungnahme als PDF

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