Der vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erstellte Migrationsbericht 2020 wurde am 12. Januar 2022 durch das Bundeskabinett beschlossen. Neben umfassenden Wanderungsdaten zu Deutschland enthält der Bericht einen europäischen Vergleich zum Migrationsgeschehen und zur Asylzuwanderung. Er behandelt das Phänomen der irregulären Migration und informiert über die Struktur und Entwicklung der Bevölkerung mit Migrationshintergrund in Deutschland.
Wesentliche Ergebnisse
Nettozuwanderung nimmt ab
Die Nettomigration nach Deutschland geht bereits seit 2016 kontinuierlich zurück. Durch den Ausbruch der COVID-19-Pandemie hat sich dieses Phänomen nochmals verstärkt. Infolge der pandemiebedingten weltweiten Reisebeschränkungen machte sich der Rückgang der Wanderungen vor allem ab März 2020 bemerkbar. Im Jahr 2020 wurden insgesamt 1.186.702 Zuzüge und 966.451 Fortzüge erfasst; im Vergleich zu 2019 ist die Zuwanderung nach Deutschland damit um 23,9 Prozent zurückgegangen, die Abwanderung nahm um 21,5 Prozent ab. Resultat dieser Entwicklungen ist ein Wanderungssaldo von +220.251 Personen, ein deutlich geringerer Wert als im Jahr 2019 (+327.060 Personen). Entsprechend zeigten sich auch bei den einzelnen Migrationsformen mehr oder minder starke Rückgänge.
Migration größtenteils aus bzw. in europäische Staaten
Das Migrationsgeschehen in Deutschland ist weiterhin vor allem durch Zuwanderung aus bzw.Abwanderung in andere europäische Staaten gekennzeichnet. So kamen im Jahr 2020 69,1 Prozent aller zugewanderten Personen (2019: 66,4 Prozent) aus einem anderen europäischen Land nach Deutschland, davon 54,6 Prozent aus Staaten der EU (inkl. des Vereinigten Königreichs). Die Bedeutung der innereuropäischen Migration zeigt sich auch bei den Fortzügen: Auch hier war Europa die Hauptzielregion. Etwa zwei Drittel der abwandernden Personen zogen im Jahr 2020 aus Deutschland in ein anderes europäisches Land (67,4 Prozent, 2019: 67,2 Prozent), 55,7 Prozent wanderten in andere EU-Mitgliedstaaten inkl. des Vereinigten Königreichs (2019: 56,0 Prozent).
Zuwanderung aus humanitären Gründen
Die Asylantragszahlen spiegeln den anhaltenden Rückgang der Fluchtmigration wider: Von 2016 auf 2019 gingen die Erstantragszahlen von 722.370 auf 142.509 zurück (-80,3 Prozent). Der rückläufige Trend hat sich pandemiebedingt 2020 weiter fortgesetzt. Es stellten 102.581 Menschen erstmals einen Asylantrag, das sind 28,0 Prozent weniger als im Jahr 2019. Die Zahl der Asylantragstellenden fiel damit unter das Niveau von 2013 (109.580 Erstanträge). 25,9 Prozent der Asylerstantragstellenden im Jahr 2020 waren in Deutschland geborene Kinder im Alter von unter einem Jahr (26.520 Asylerstanträge), deren Anteil ist gegenüber 2019 (22,0 Prozent) erneut gestiegen. Somit betrug die Zahl der grenzüberschreitenden Asylerstanträge im Jahr 2020 76.061 (2019: 111.094).
Rückgang des Familiennachzugs
Insgesamt wurden 58.022 Aufenthaltserlaubnisse aus familiären Gründen an Personen erteilt, die im Jahr 2020 eingereist sind. Im Vergleich zum Vorjahr sank die Zahl pandemiebedingt um 40,0 Prozent (2019: 96.633). In 6.412 Fällen handelte es sich dabei um Angehörige von Schutzberechtigten, die im Rahmen des Familiennachzugs nach Deutschland gekommen sind. Ihr Anteil am gesamten Familiennachzug beträgt 11,1 Prozent.
86.529 Bildungsausländerinnen und Bildungsausländer haben ein Studium in Deutschland aufgenommen
Die Zahl der Bildungsausländerinnen und Bildungsausländer (Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit und im Ausland erworbener Hochschulzugangsberechtigung), die ihr Studium in Deutschland aufgenommen haben, ist von 110.974 im Jahr 2019 auf 86.529 im Jahr 2020 und damit um 22,0 Prozent zurückgegangen. Damit wurde im Jahr 2020 die niedrigste Zahl an Bildungsausländerinnen und Bildungsausländern unter den Erstsemestern an deutschen Hochschulen seit 2014 verzeichnet, was ebenfalls mit den internationalen Mobilitätsbeschränkungen infolge der COVID-19-Pandemie zusammenhängen dürfte.
COVID-19-Pandemie bremst neu eingeführtes Fachkräfteeinwanderungsgesetz aus
Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG) trat zum 1. März 2020 eine wesentliche gesetzliche Änderung für die Erwerbsmigration nach Deutschland in Kraft. Zeitgleich bremste jedoch die sich ausbreitende COVID-19-Pandemie die internationale Mobilität und somit auch den Zuzug von Erwerbsmigrantinnen und Erwerbsmigranten. Dadurch sowie durch Veränderungen der statistischen Erfassung, die sich durch das FEG ergeben, lassen sich die Zahlen zur Erwerbsmigration von Drittstaatsangehörigen im Jahr 2020 nur bedingt mit denen der Vorjahre vergleichen. Eine Beurteilung der Wirkungen des FEG ist auf dieser Basis noch nicht möglich. Im Jahr 2020 sind 29.747 Personen nach Deutschland eingereist, die einen Aufenthaltstitel zur Erwerbsmigration erhielten. Dies entspricht einem Rückgang gegenüber 2019 um 53,7 Prozent.
Betrachtet man die Struktur der Erwerbsmigration nach Deutschland im Jahr 2020, so zeigt sich, dass es sich bei der Mehrheit der betreffenden Personen um qualifizierte bzw. hochqualifizierte Fachkräfte handelt (insgesamt 16.597 Personen bzw. 55,8 Prozent). Diese Gruppe umfasst die bisherigen Aufenthaltstitel für eine qualifizierte Beschäftigung (bis Ende Februar 2020), Fachkräfte mit beruflicher oder akademischer Ausbildung, Hochqualifizierte, Forschende, Inhaberinnen und Inhaber einer (Mobiler-) ICT-Karte bzw. einer Blauen Karte EU sowie Selbstständige.
Zuwanderung von Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern
Seit 2013 konnte bei der Zuwanderung von Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern und ihrer Familienangehörigen ein leichter Wiederanstieg registriert werden, bedingt durch gesetzliche Änderungen, die vor allem die Familienzusammenführung erleichterten. Im Jahr 2020 wurden hingegen nur 4.309 Personen als Spätaussiedlerinnen bzw. Spätaussiedler durch das Bundesverwaltungsamt registriert. Das sind 39,8 Prozent weniger als im Vorjahr (2019: 7.155), was wiederum durch Einschränkungen infolge der COVID-19-Pandemie zu erklären ist.
Deutschland im europäischen Vergleich Zielland Nummer eins
Im europäischen Vergleich (Gesamt- und Asylzuwanderung in absoluten Zahlen) ist Deutschland weiterhin das Hauptzielland von Migration und hat im Vergleich zu den anderen europäischen Staaten in den letzten Jahren deutlich an Attraktivität gewonnen. Einen hohen Anteil an der Zuwanderung verzeichnen in der EUauch Spanien, das Vereinigte Königreich, Frankreich und Italien.
26,7 Prozent der Bevölkerung Deutschlands haben einen Migrationshintergrund
2020 lebten nach Zahlen des Mikrozensus in den deutschen Privathaushalten 21,9 Millionen Menschen, die selbst oder bei denen mindestens ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit nicht seit Geburt besitzt. Dies entspricht einem Bevölkerungsanteil der Menschen mit Migrationshintergrund von 26,7 Prozent. Mehr als die Hälfte davon sind deutsche Staatsangehörige, knapp zwei Drittel selbst zugewandert. Selbst zugewanderte Personen leben im Durchschnitt seit rund 21 Jahren in Deutschland, mehr als ein Drittel (37,7 Prozent) aber auch weniger als 10 Jahre.
Weiterführender Link: Migrationsbericht 2020