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Das grundsätzliche Problem ist das Fehlen von Dauerstrukturen und die extreme Unterfinanzierung der Erwachsenenbildung
Interview mit dem SprecherInnenteam des Bündnisses DaF/DaZ-Lehrkräfte
Wie ist Ihr Bündnis entstanden?
Das Bündnis DaF/DaZ-Lehrkräfte entstand 2016 auf einer bundesweiten Konferenz in Hannover als Zusammenschluss von vielen Initiativen und Gruppen. Einige hatten schon lange vorher existiert, die meisten aber hatten sich als Reaktion auf die mit der Flüchtlingskrise 2015/16 zusammenhängenden Probleme gegründet.
Und wen vertreten Sie?
Wir vertreten alle DaF/DaZ-Lehrkräfte, wobei die meisten in den BAMF-Kursen (Gesamtprogramm Sprache) tätig sind. Wir haben Gruppen bzw. Kontaktpersonen in ca. 50 Städten.
Was sind nach Ihrer Einschätzung aktuell die größten strukturellen Herausforderungen für DaF/DaZ-Lehrkräfte?
Das grundsätzliche Problem ist das Fehlen von Dauerstrukturen und die extreme Unterfinanzierung der Erwachsenenbildung. Obwohl Migration und Integration Daueraufgaben sind, gibt es keine Dauerstrukturen. Es wurde zwar ein Gesamtprogramm Sprache (vor allem Integrationskurse und Berufssprachkurse) entwickelt, aber es basiert auf prekärer Arbeit von ca. 18 000 Lehrkräften.
Obwohl wir im staatlichen Auftrag arbeiten, ist die große Mehrheit freiberuflich tätig, sehr oft in der Grauzone der Scheinselbständigkeit. Das Mindesthonorar von 42,23 € pro UE sieht auf den ersten Blick gut aus. Wenn man aber bedenkt, dass eine UE (45 Min.) mit Vor- und Nachbereitung und anderen Aufgabe bis 90 Minuten bedeutet, wir als Selbständige fast 50 % an Steuern und Abgaben zahlen und Reserven für Krankheitstage, durch Kursausfälle und Ferien verursachte Pausen und Urlaub bilden müssen, dann bewegen wir uns eher Richtung Mindestlohn. Und dies trotz Hochschulabschluss und Zusatzqualifizierungen! Hinzu kommt es, dass die meisten Träger ihren arbeitnehmerähnlichen Selbstständigen das Urlaubsentgelt vorenthalten. Den wenigen Festangestellten geht es nicht besser, denn die meisten erhalten in Vollzeit, also für 40 (und mehr) UE pro Woche, nur ca. 3200 €. Mit Vor- und Nachbereitung und anderen Aufgaben arbeiten sie viel mehr als 40 Stunden pro Woche, nicht selten bis 60 Stunden. Das ist sittenwidrig und schadet sowohl der Unterrichtsqualität als auch der Gesundheit der Lehrkräfte. Dies alles führt dazu, dass es trotz fast 60 000 zugelassener Lehrkräfte einen Lehrermangel gibt, denn kaum jemand möchte prekär arbeiten.
Hat sich die Situation für die Lehrkräfte in den letzten Jahren verändert?
Das Mindesthonorar wurde zweimal erhöht. Unser Einkommen liegt aber immer noch weit unter dem Durchschnitt. Es gibt neue Kurskonzepte, Zusatzqualifizierungen, zu denen die Lehrkräfte gezwungen werden, neue Prüfungen, ganz andere Teilnehmendengruppen, mehr Vorschriften und damit auch mehr Arbeit. Die größte Veränderung hängt mit der Pandemie zusammen. Viele von uns durften wochen- oder monatelang nicht arbeiten und waren deswegen auf staatliche Hilfe angewiesen. Die Coronazeit hat gezeigt, welche brutalen Folgen die in unserer Branche herrschende soziale Unsicherheit hat, und viele Kolleginnen und Kollegen dazu bewegt, unseren so wichtigen Beruf zu verlassen. Durch die Pandemie mussten wir schnell lernen, online zu unterrichten. Das war und ist eine große Umstellung und Herausforderung. Die meisten von uns haben es schnell und ganz allein geschafft.
Wie bewerten Sie die Zusammenarbeit mit dem BAMF?
Auf der menschlichen Ebene ist die Zusammenarbeit mit dem BAMF in Nürnberg gut. Wir haben den Eindruck, dass wir ernstgenommen werden und ein echtes Interesse an unserer Expertise besteht. Auch wenn einiges erreicht werden konnte, vor allem die Honorarerhöhungen, passiert insgesamt zu wenig und sehr langsam. Es liegt aber wohl daran, dass nicht das BAMF, sondern das BMI und BMAS entscheiden. Und da ist es schwer, ins Gespräch zu kommen. Einerseits gibt es viel Verständnis für unsere Anliegen und auch Dank für unseren Einsatz, andererseits sind die meisten Antworten, die wir erhalten, sehr vage. Am besten läuft die Zusammenarbeit mit einigen Abgeordneten aus den für uns zuständigen Ausschüssen und Arbeitsgruppen (Integration, Haushalt, Inneres). Da merken wir, dass sich die Abgeordneten wirklich für uns einsetzen, wofür wir auch sehr dankbar sind.
Welche Maßnahmen würden zu einer Verbesserung der Situation von Lehrenden und Lernenden beitragen?
Wir setzen uns für eine realistische Finanzierung der Weiter- und Erwachsenenbildung in Deutschland ein, die eine adäquate Entlohnung unserer Arbeit ermöglicht. Da Weiterbildung immer wichtiger in der modernen Welt wird, bremst ihre derzeitige Unterfinanzierung die Entwicklung unseres Landes. Wir vertreten eine Sicht auf Integration, die diese als Daueraufgabe sieht, für die eine Dauerlösung vonnöten ist. Die Kosten für die Integration von Migrant*innen und Geflüchteten, insbesondere die Kosten für Deutsch- und Integrationskurse stellen eine wichtige Investition für die Zukunft unseres Landes dar. Wer daran spart, wird später Folgekosten in vielfacher Höhe tragen müssen.
Konkrete Maßnahmen haben wir bereits oft formuliert, sowohl allein als Bündnis als auch mit Gewerkschaften und Verbänden. Sie befinden sich im Offenen Brief der Bildungsverbände an die Bundesregierung und im Hamburger Appell der GEW Hamburg.
- Realistische Finanzierung von Integration entsprechend der Qualifikationen der Lehrkräfte und dauerhafte Finanzierung dieses Erwachsenenbildungsbereiches, der eine Daueraufgabe im Einwanderungsland Deutschland ist und deshalb Dauerstrukturen und feste Qualitätsstandards benötigt.
- Deutliche Erhöhung und regelmäßige Dynamisierung der Trägerpauschalen, um den tatsächlichen Ausgaben gerecht werden zu können und die hohen geforderten Qualitätsstandards tatsächlich dauerhaft erreichen zu können.
- Schaffung von regional angepassten, dauerhaften Finanzierungsstrukturen, die dauerhafte Beschäftigung für hauptberufliche Lehrkräfte zum Normalfall werden lässt.
- Bundestariftreuegesetz (nur noch Träger mit Tarifverträgen bekommen Mittel aus der öffentlichen Hand) –mit einem von den Gewerkschaften und dem Unternehmensverband verhandelten Branchentarifvertrag orientiert am TVöD / Wettbewerb der Träger erfolgt über Qualität, nicht über den Preis
- Deutlich längerfristige Finanzierungsstrukturen für die Träger –
- Unbefristete Festanstellungen der Lehrenden für Regelaufgaben
- Max. 25 UE (Unterrichtseinheiten zu 45 min) pro Woche bei Vollzeitstelle als verbindliche Vorgabe
- 71,70 € Honorar pro UE bei allen staatlich finanzierten Erwachsenenbildungsangeboten
- Dynamisierung der Honorare für die Lehrkräfte entsprechend der Lohnentwicklung in vergleichbaren Bereichen.
- Hohe Qualitätsstandards für DAF/DaZ-Lehrkräfte mit entsprechender Vergütung