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Verlängerung der Bezugsdauer Kurzarbeitergeld – eine Stellungnahme des IAB

Seit Anfang 2025 ist die Bezugsdauer des Kurzarbeitergeldes auf bis zu 24 Monate verlängert worden – ein Schritt, der angesichts schwacher Konjunktur und tiefgreifender struktureller Krisen unterschiedlich bewertet wird. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hat bereits vor dem Inkrafttreten der Verlängerung verdeutlicht, dass man der Verlängerung kritisch gegenübersteht.

Das Instrument Kurzarbeit

Kurzarbeit hat sich in Deutschland als ein bewährtes Instrument zur Stabilisierung von Beschäftigung in Krisenzeiten etabliert. Während der Wirtschaftskrise 2009 sowie während der Corona-Pandemie 2020 bis 2022 konnte ein massiver Anstieg der Arbeitslosigkeit verhindert werden. Kurzarbeit ermöglichte eine schnelle Reaktion auf unvorhergesehene wirtschaftliche Herausforderungen und unterstützte Unternehmen dabei, ihre Belegschaften zu halten.

Aktuelle wirtschaftliche Herausforderungen

Die deutsche Wirtschaft befindet sich jedoch derzeit in einer tiefgreifenderen Transformation, die besonders die Industrie betrifft. Die Rückgänge in der Auftragslage und die zunehmenden Meldungen über Stellenstreichungen, beispielsweise in der Automobilindustrie, verdeutlichen die Dringlichkeit der Situation. Um der aktuellen Schwäche entgegenzuwirken, wurde die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes vorgeschlagen und zu Beginn des Jahres auch verwirklicht. Die Verlängerung wird nun kontrovers diskutiert.

Kritische Perspektiven – Die Datenlage

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sieht die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes kritisch. Es wird argumentiert, dass eine längere Bezugsdauer notwendige strukturelle Veränderungen verschleppen könnte. Daten aus der Eurokrise 2012 zeigen, dass die Verlängerung damals keine signifikanten Beschäftigungseffekte hatte. Stattdessen erfolgte die Sicherung der Beschäftigung über innerbetriebliche Lohnanpassungen. Betriebe, die Kurzarbeit länger nutzen konnten, verzeichneten nach 48 Monaten ein fünf Prozentpunkte höheres Lohnwachstum als solche mit maximal sechs Monaten Kurzarbeit. Größere Verdiensteffekte gingen mit kleineren Beschäftigungseffekten einher.

Allerdings gibt es Einschränkungen in der Vergleichbarkeit: Während die Eurokrise in Deutschland keine tiefgreifende Wirtschaftskrise auslöste, ist die aktuelle Schwäche als gravierender einzustufen, was die Übertragbarkeit der Ergebnisse relativiert.

Kurzarbeit in einer strukturellen Krise

Kurzarbeit ist vor allem bei temporären wirtschaftlichen Schocks ein effektives Instrument. Bei strukturellen Herausforderungen, wie sie derzeit in Deutschland durch internationale Konkurrenz und hohe Energiekosten bestehen, wird die reguläre Arbeitslosenversicherung als geeigneter angesehen.

Die aktuelle Situation unterscheidet sich deutlich von der Pandemie, in der die Rezession zeitlich begrenzt war, und vor allem die Dienstleistungsbranche betroffen war. Es besteht die Gefahr, dass Kurzarbeitergeld Unternehmen unterstützt, die langfristig nicht wettbewerbsfähig sind und somit den notwendigen ökonomischen Wandel verzögern

Alternative Handlungsansätze

Um den Herausforderungen besser zu begegnen, könnten folgende Ansätze verfolgt werden:

  1. Weiterbildung fördern: Anreize für die Weiterbildung von Beschäftigten während der Kurzarbeit schaffen oder diese ab einer bestimmten Bezugsdauer verpflichtend machen. Im Jahr 2020 nutzten gerade einmal 10% der Betriebe in Kurzarbeit Weiterbildungsangebote.
  2. Unterstützung des Strukturwandels: Kurzarbeit gezielt nutzen, um den Strukturwandel zu unterstützen. Beispielsweise könnten Anreize für einen Arbeitsplatzwechsel geschaffen werden, wie es in Spanien bereits umgesetzt wird.
  3. Konjunkturpolitische Impulse setzen: Der Zugang zur Kurzarbeit könnte erleichtert werden, indem eine temporär stärkere Übernahme von Arbeitskosten durch den Staat in Betracht gezogen wird, wenn der Betrieb Weiterbildung und Restrukturierung in Angrifft nimmt.
  4. Fehlanreize reduzieren: Durch die Einführung eines “Experience Ratings” könnten Fehlanreize minimiert werden.

Fazit

Die Verlängerung der maximalen Bezugsdauer des Kurzarbeitergeldes wird den Herausforderungen einer strukturellen Krise nicht gerecht. Stattdessen sollten kurzfristige konjunkturpolitische Maßnahmen mit langfristigen Initiativen zur Transformation der Wirtschaft und Qualifizierung der Beschäftigten kombiniert werden. Nur so kann eine nachhaltige und zukunftsorientierte Wirtschaft sichergestellt werden.

Weiterführende Informationen

Die Stellungnahme des IAB finden Sie hier.

Die Presseinfo zur Verlängerung der Bezugsdauer der Bundesagentur für Arbeit.

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